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Vom „Stoan“ zum Öl

Als sich Romedius Kirchner, seines Zeichens Forstadjunkt im Dienste der Forst- und Domänendirektion in Innsbruck, einen Tag nach Mariä Geburt, am 9. September 1911, hinter einem Felsen oberhalb des Achensees am Seeberg versteckte, war er nicht auf der Suche nach Wilderern. Vielmehr wollte er kontrollieren, ob Martin Albrecht sen., der hier seit 1902 Ölschiefer abbaute und mit primitiven „Passauer Tiegeln“ zum „Schwitzen“ brachte, alle Feuerstellen pflichtgemäß gelöscht hatte.

Denn wegen des enormen Holzverbrauchs durfte der Steinölpionier nur zwölf Wochen brennen, vom 15. Juni, dem St. Veitstag, bis zum 9. September. Um den Wald zu schonen, konnte man außerdem nur beim Münzamt in Hall eine begrenzte Anzahl von „Passauer Tiegeln“ erwerben. Jeden dieser acht, einen halben Meter hohen, kegelförmigen Tiegel aus Graphit und Ton füllte Martin Albrecht sen. unermüdlich, unterstützt von seinen Bergknappen, Tag für Tag mit rund 20 kg auf halbe Faustgröße zerkleinerten Ölsteinen. Dann wurden die „Passauer“ mit einem gelochten Eisenblech verschlossen, auf den Kopf gestellt, auf in den Boden eingelassene Tonhäfen gesetzt und um die Brennblasen herum ein „höllisches Fuier“ entfacht.

Bei dieser Trockendestillation entwich das im Ölschiefer enthaltene Steinöl durch die Hitze gasförmig, verflüssigte sich durch die Abkühlung im Tontopf, tropfte in die Häfen und wurde durch ein unterirdisches „Röhrl“ in ein hölzernes „Schaffl“ geleitet. In diesem setzte sich das Steinöl vom Wasser ab – der Ölstein enthält etwa 50 % davon – das Steinöl schwamm nach oben und wurde schließlich abgeschöpft. Der Schwelbetrieb am Seeberg wurde von 1902 bis 1917 aufrechterhalten.

Inzwischen hatte Martin Albrecht 1908 nach seinem Fund im Bächental (siehe Beitrag „Der brennende Stein“) die Schürfrechte angemeldet und begann dort nach dem gleichen Verfahren wie am Seeberg Steinöl zu brennen. Tag und Nacht überlegte er, wie er die künftige Produktion besser und rationeller gestalten könnte.

Immer wieder zeichnete er mit seinem „haselnussenen“ Bergstecken das „Ausgekopfte“ auf den Boden und 1920 war es dann soweit: Der Betrieb wurde auf „Retortenöfen“ umgestellt. Unter unsäglichen Strapazen mussten die im Jenbacher Hüttenwerk gefertigten gusseisernen Teile der rund 2,5 Meter hohen viereckigen Türme ohne Weg und Steg – der Steig wurde erst nach und nach vom Steinölpionier angelegt – über das Gröbner Joch ins einsame Bächental transportiert werden, bevor mit dem Brennen begonnen werden konnte.

Die mit dem von Hand gebrochenen Ölschiefer gefüllten Gitterkörbe wurden mit Laufkatzen zu den vier Öfen transportiert. Am Boden der Öfen befanden sich Blechkästen, in denen sich die Öldämpfe abkühlten und verflüssigten. Die hölzernen Kondensationsrohre waren innen mit Metallsplittern aus der Jenbacher Sensenschmiede gespickt, um den Übergang vom gasförmigen in den flüssigen Aggregatzustand zu beschleunigen.

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Plan der Retortenkörbe 1921

Allerdings mussten die Retortenöfen immer noch mit meterlangen Fichtenholzscheiten befeuert werden. Doch der unermüdliche Erfindergeist des Steinölpioniers fand auch hier eine Lösung: Martin Albrecht sen. konstruierte eine „Schwöllanlage“, um den Ölschiefer ohne externe Energiezufuhr auszubeuten. Sie bestand aus runden Schachtöfen, wie sie auch heute noch verwendet werden. Die drei viereinhalb Meter hohen Öfen, die mit „faustgroßen“ Ölschieferbrocken gefüllt sind, müssen nur einmal im Jahr mit ein paar Holzscheiten angefeuert werden, da der Ölschiefer dann von selbst schwelt.

Tag und Nacht, alle 90 Minuten, werden diese drei Schachtöfen im Schichtbetrieb von oben befüllt. Unten, im „Parterre“ der Anlage, wird der ausgebrannte Ölschiefer dann mit einer langen Eisenkralle herausgezogen und mit einem Grubenhunt zur Abraumhalde transportiert. Dabei entweicht das 400 Grad heiße, gasförmige Steinöl als milchig-weißer Dampf, der von einem durch eine eigene Wasserturbine angetriebenen Gebläse angesaugt und in die zwölf zehn Meter hohen Kondensationstürme gepresst wird. Dort kühlt das Schwelgas ab und schlägt sich als Tiroler Steinöl nieder.

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Albrechts „Schwöllanlage“, wie sie 1938 gebaut wurde, war in leicht abgewandelter Weise bis 2006 in Betrieb
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